Wie bei jeder Herausforderung stellt sich zu Beginn die Frage nach dem richtigen Werkzeug für die bevorstehende Aufgabe. Wissenschaftliche Texte weisen häufig eines oder mehrere der folgenden Merkmale auf:
- Texte verfügen über zahlreiche Fußnoten und interne Verweise.
- Es besteht eine Bibliographie externer Verweise und erwähnter Werke.
- Tabellen und Grafiken können enthalten sein und werden ebenfalls referenziert.
- Das Schriftbild muß gewissen Standards oder einer Stilvorlage sehr genau entsprechen.
- Es enthält in einigen Feldern mathematische Gleichungen.
- An der Datei kann kollaborativ gearbeitet werden.
Der Grund warum ich dies aufzähle ist, da einige meiner Bekannten teures Lehrgeld bezahlen mußten, indem sie sich zur Anfertigung des Textes für die naheliegendste Möglichkeit entschieden. Sie setzten Microsoft Word ein.
Vor- und Nachteile einer Bearbeitung mit Word
Zunächst sollte man unterscheiden, was das jeweilige Programm eigentlich zu tun imstande sein sollte. Hier würde ich gerne unterscheiden zwischen der Aufgabe, die eigentlichen Inhalte zu erschaffen und der Gestaltung und Schriftsetzung (Typographie) des fertigen Werkes. Und Microsoft Word macht hier zunächst gar keinen schlechten Job. Den Vorteil der angeblich schnellen Einarbeitung würde ich aber sogleich relativieren. Gewisse Begriffe aus der Typographie, wie etwa die Silbentrennung, Ligaturen, Proportionalschrift, sowie die berühmten Hurenkinder- und Schusterjungenregeln (ist das noch politisch korrekt dies zu sagen?) sollte man unbedingt schonmal gehört haben. Ansonsten ist Word ein einfaches Programm um es schlecht zu beherrschen. Besonders mit Letzterem werdet ihr mit Office 2019, die zum Zeitpunkt des Schreibens aktuelle Version, noch eine helle Freude haben.
Es gibt Dinge, die mit Word unfassbar schwer, in größeren Dokumenten sogar unmöglich sind. Die Kontrolle der eben genannten, unschönen Begriffe, hat schon so manchen an den Rand der Verzweiflung gebracht. Andere Dinge sind dagegen einfach: beispielsweise eine Änderung des Erscheinungsbildes. Manche Dinge sind sogar sehr einfach aber eher unerwünscht: zum Beispiel das Zerschießen des mühsam erstellten Stils durch einen Co-Autor oder Korrektor. Dies passiert unweigerlich bei der Bearbeitung mit unterschiedlichen Rechnern, selbst wenn auf Versionsgleichheit der verwendeten Office-Suite geachtet wird. So kann bereits ein leicht unterschiedlicher Patch-Stand der beiden Programme Inkompatibilitäten an der Datei erzeugen.
Während man also bequem von Seite zu Seite das Layout festlegt, wird mit der Zeit jede einzelne Seite des Dokuments unweigerlich zu einem einzigartigen Ausdruck layouttechnischer „Kreativität“. Darüber hinaus kommt es selbst mit der allerneuesten Version der Software immer noch sehr häufig vor, daß große Dateien korrumpiert und Teile der Gestaltung unrettbar zerschossen werden. Der absolute GAU wenn Abgabetermine immer näher rücken.
Word mag seine Stärken an anderer Stelle haben, vielleicht Geschäftsbriefe oder einen kurzen Report schreiben. Es entbehrt aber einer weiteren Erklärung, warum diese Eigenschaften für das Verfassen längerer, wissenschaftlicher Texte, nicht erwünscht sind.
Warum LaTeX?
Das sogenannte LaTeX kommt als eine Markup Sprache scheinbar antiquiiert her und tatsächlich hat es seinen Ursprung bereits in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrtausends. Hört sich irre an, besonders in der IT, nicht wahr?
Gewissermaßen ist es aber geradezu die Antithese zu Microsoft Word oder anderen sogenannten WYSIWYG-Editoren. Es ist vor allen Dingen sehr konsistent in der Umsetzung einmal festgelegter Regeln und Standards zum Erscheinungsbild und Layout. Da es sich in erster Linie als Werkzeug zur Schriftsetzung versteht, erledigt es eine andere Aufgabe als die herkömmlichen Officeprodukte und tut es in einer unerreichten Qualität. Es fördert die Produktivität ungemein, da dem späteren Hinzufügen, Neuordnen, Einfügen von Bildern, Fußnoten usw. keine Grenzen gesetzt sind und dennoch verläßlich gute Ergebnisse erzielt werden. Dies geschieht in erster Linie durch konsequente Trennung des Inhalts von den anzuwendenden Formatierungsregeln. Die Markupsprache würde ich so erklären, daß ihr erklärt welchen Zweck beispielsweise ein Absatz innerhalb des Dokuments einnehmen soll. LaTeX besorgt dann den Rest und die Gestaltung ist kein Thema. Aber was ist mit den gefürchteten Schusterjungen? Man kann davon ausgehen, daß es kein besseres Verfahren gibt dieser gefürchteten Plage Herr zu werden.
Wer sich hiervon angesprochen fühlt, dem kann ich nur ans Herz legen einen der zahlreichen Editoren einmal auszuprobieren. Holt euch unbedingt eine passende Vorlage für euer Projekt! Das wird den Einstieg gehörig erleichtern. Eure Nerven werden es euch danken!
Wie bei vielen Dingen erscheint auch hierbei die Anfangsinvestition beim Erlernen des Systems erst einmal hoch. Diese Lernzeit ist jedoch gut investiert und Gold wert, wenn man sich hintenraus einige der häufigsten und ärgerlichsten Fehler mit herkömmlichen Textprogrammen erspart.