Unsägliche Kampagne gegen Open-Access

Wer sich im wissenschaftlichen Betrieb etwas auskennt, dem wird die lange Vorgeschichte zum Streit über Open-Access wohl bekannt sein. Der Bestand wissenschaftlicher Journale und Zeitschriften wird in Universitätsbibliotheken immer mehr zusammengestrichen, weil der klägliche Haushalt mit der massiven Preisexplosion bei vielen Wissenschaftsverlagen nicht mehr Schritt halten kann. Dagegen soll jede wissenschaftliche Arbeit mittels Open-Access nun der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.

Ausgerechnet die freie Verfügbarkeit öffentlich finanzierter Wissenschaft, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, soll jetzt aber, so die FAZ, „alles kaputt machen“, so steht es da wörtlich.

Wozu Verlage?

Worin liegt also die große Leistung, um die sich Wissenschaftsverlage verdient machen? Das ist selbst dem langen apologetischen Artikel der FAZ nur schwer zu entlocken. Irgendwo zum Schluß wird auf einen historischen Vergleich verwiesen, wonach Länder mit verlegerischer Vielfalt besonders frei gewesen sein sollen. Verlage als Vorkämpfer für die Freiheit? Das war einmal, bevor es das Internet gab.

Außerdem will das Lektorat, was eine der Kernaufgaben eines Verlags darstellt, auch irgendwie bezahlt werden. Nun es wird bezahlt, ebenfalls aus öffentlichen Geldern und es ist keine Leistung die ausschließlich bei einem Verlag liegt.
Schon zu meiner eigenen Studienzeit, was schon eine Weile zurück liegt, war es so, daß diese Arbeit ausschließlich durch wissenschaftliche Hilfskräfte erledigt wurde. Ein Großteil ihrer Arbeit bestand darin, die Wissenserzeugnisse von Professoren für die Publikation in den unterschiedlichen Zeitschriften vorzubereiten. Es ist eine Wissenschaft für sich, diese anhand ausgedehnter Styleguides für jeden Verlag individuell anzupassen. Diese umfassten oft mehrere hundert Seiten. Wenn ein Text den Vorgaben des Verlags nicht entsprach, wurde er wortlos einfach zurückgewiesen. Der Ärger und die Arbeit blieb dann ausnahmslos an den unterbezahlten Hiwis hängen. Eine besondere Leistung konnte ich von Seiten der Verlage gar nicht erkennen und das hat lustigerweise auch zu damaligen Zeiten niemand mehr ernsthaft erwartet (war schon immer so). Aber die Preise sind trotz deren Nichtleistung erheblich gestiegen. Bibliotheken können sich das schon lange nicht mehr leisten und so ist der Bestand schon seit Beginn dieses Jahrtausends ständig auf dem absteigenden Ast. Wie lange kann das wohl noch gut gehen?

Darum Open-Access

Was mich bei der tendenziösen Berichterstattung bei der FAZ am meisten stört ist, daß die absurde Argumentation völlig darüber hinwegsieht woraus Wissenschaft in Deutschland in erster Linie finanziert wird, nämlich aus öffentlichen Geldern! Da können die sich noch so sehr bemühen die behaupteten Verdienste von Verlagen hervorzuheben, öffentlich finanzierte Forschung muß der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, daran kann es doch keine ernsthaften Zweifel geben!

Stellen Sie sich einfach die Situation einmal vor: eine Universität bezahlt Beschäftigte damit diese Wissen mehren und es in erster Linie der eigenen „Firma“ zur Verfügung stellen, diese geben ihre wertvollen Produkte kostenlos an einen Verlag ab und dieser verkauft teuer an die Universität zurück. Ist das nicht verrückt?
Dem soll mittels Open-Access nun auch durch technische Mittel abgeholfen werden. Angestellte einer Universität werden angehalten alle ihre Erzeugnisse dort zu publizieren, es ist deren Eigentum. Was kann es denn Besseres geben für die Wissenschaft, als das Wissen möglichst effizient gestreut und einer großen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wird, sodass wir alle am Ertrag unserer Steuergelder partizipieren können? Ist das nicht eine Grundvoraussetzung für die Vermehrung von Wissen, daß möglichst viele Teilnehmer existieren und nicht nur in geheimen Zirkeln diskutiert wird? Ist das nicht der Grund, warum sich das Gemeinwesen diesen ganzen Betrieb überhaupt leistet?

Open-Access läuft den Bereicherungsmodellen jener Verlage zuwider und diese sehen dadurch zunehmend ihre Felle davonschwimmen. Sei’s drum, dann muß die eine oder andere Verlagsbude eben den Betrieb schließen. Für die bei der FAZ viel bemühte „Freiheit“ ist das ein gutes Zeichen.

 

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