Angesprochen auf eine tagespolitische Nachricht einer großen Tageszeitung deutete ein Bekannter mir kürzlich an, die Internetseite der selben gar nicht mehr anzuschauen, da die Kommentarfunktion deaktiviert worden war. Dies hat mir einiges zu denken gegeben, da ich mir ehrlich gesagt die gleiche Gewohnheit zu eigen gemacht habe:
Je öfter die großen Nachrichtenseiten die Kommentarfunktion deaktivierten, desto weniger frequentierte ich deren Webseite bis ich schließlich sogar die Lesezeichen löschte und es künftig ganz unterließ mich auch nur dort umzuschauen.
Popularitätseinsturz durch mangelnde Partizipation
Die Süddeutsche Zeitung ist unrühmlicherweise ein Vorreiter in dieser Entwicklung und unterbindet seit diesem Jahr Nutzerkommentare ausnahmslos für alle Artikel ihrer Plattform. Weitere Portale, wie beispielsweise der Spiegel, folgten und sperren Kommentatoren, besonders bei kontroversen Themen immer öfter aus. Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten:
Im Popularitätsrating Alexa stürzte Sueddeutsche.de um mehr als 500 Plätze nach unten. In das Rating fließen natürlich die Anzahl der Besucher und Seitenaufrufe mit ein. Die Süddeutsche hat, alleine wegen Abschaltung der Kommentarfunktion, gegenüber konkurrierenden Nachrichtenseiten in Deutschland erheblich an Relevanz eingebüßt.
Das oben verlinkte Ranking verzeichnete zur Zeit des Abrufs, bei Erstellung dieses Artikels, einen heftigen Einbruch zu Beginn des Jahres 2015.
Kommentare als Korrektiv…
Ich denke das Phänomen ist leicht erklärbar wenn man das Nutzungsverhalten vieler, vor allem jüngerer Leser beobachtet. Nicht selten wird nur noch die Überschrift des Artikels wahrgenommen. Beim Schnellesen und Überfliegen des Artikels werden noch ein zwei Fakten aufgenommen und den größeren Teil der Besuchszeit widmen man sich den Kommentaren. Das ist wirklich nicht verwunderlich, denn angesichts einer oft tendenziösen und manipulativen Berichterstattung wird der Meinungsaustausch in den Kommentarspalten oft wichtiger genommen als die Nachricht selbst. Sowie die Meinungen anderer Kommentatoren bewertet werden müssen, soll natürlich auch die Nachricht selbst auf den Prüfstand gestellt werden. Aggregationsseiten wie beispielsweise Reddit, wo Meinungen ein noch höherer Stellenwert beigemessen wird, gewinnen dadurch immer mehr an Bedeutung während die klassischen Medien sich weiterhin auf der Verliererstraße bewegen.
…oder Zensur der Lästermäuler?
Natürlich ist es völlig legitim Foren zu moderieren und Rüpel zu blockieren. Webseitenbetreibern steht es frei die Spielregeln Ihrer eigenen Domäne frei festzulegen und auch durchzusetzen. Aber ist es nicht ein Hohn, auf der einen Seite mit provokanten Schlagzeilen Leser anzulocken um ihnen anschließend den Mund zu verbieten und die freie Meinungsäußerung zu untersagen? Zum Glück, möchte ich sagen, ist Kommunikation im Internet jedoch keine Einbahnstraße mehr. Wer zensiert, verliert!