Ein Monat Krautreporter – ein erstes Resümee

Die erste, ausschließlich durch seine Benutzer finanzierte, Zeitung Krautreporter ist seit nunmehr über einem Monat erhältlich. Zeit genug ein erste Bewertung durchzuführen und meine persönlichen Eindrücke zu schildern um abschließend abzuwägen, ob 5€ monatlich für ein Onlinejournal eine lohnenswerte Investition sind.

Wozu nutzerfinanzierte Medien?

Wir kennen das als interessierte Leser und Konsumenten alle, beziehungsweise habe ich es aus erster Hand erfahren. Im herkömmlichen Journalismus ist eine unabhängige Berichterstattung nicht mehr möglich. Selbst normale Anzeigenkunden haben die Möglichkeit unliebsame Berichte zu unterdrücken und diese nehmen dieses Vorrecht, darauf könnt ihr einen lassen, auch regelmäßig in Anspruch. Weite Teile der Presselandschaft gehören wenigen Medienkonglomeraten an, welche die Linie und eine gewisse Einfärbung der Berichterstattung vorgeben. Eine Unabhängigkeit und Freiheit zur rechtschaffenen Berichterstattung ist in diesem Umfeld nicht mehr gegeben.
Über das Internet ist es heute aber möglich kostengünstig eine breite Nutzerbasis anzusprechen und es mit rein nutzerfinanzierten Angeboten zu versuchen, ohne Werbung.
Wer ein solches Angebot in Anspruch nimmt und unterstützt, leistet einen wichtigen Beitrag zum unabhängigen Journalismus und echtem Unternehmertum. Damit möchte ich überleiten auf …

Werbefreiheit

Die zehn Grundsätze, sozusagen die Firmenphilosophie, soll hier nicht noch einmal wiederholt werden, diese kann hier jederzeit nachgelesen werden.

Der Verzicht auf Werbung kann durch einen kurzen Blick auf die Seite leicht verifiziert werden. Lästige Einblendungen und Popups gibt es auf der Seite nicht. Eine echte Wohltat, ermöglicht es doch das unterbrechungsfreie Schmökern in den Artikeln. Vergleicht damit die Angebote namhafter Zeitungen, welche nichtssagende Artikel oft auf viele Seiten ausdehnen, damit bei jedem erforderlichem Klick noch mehr Werbung untergebracht werden kann.

Gestaltung der Seite

Der Aufbau erinnert weniger an den Auftritt zahlreicher anderer Nachrichtenseiten, etwa mehrspaltigem Design wie man aus Zeitungen gewohnt ist, als viel mehr an einen guten und aufgeräumten Blog ganz im Sinne des Web 2.0. Auch das meine ich nicht abwertend. Man tat gut die Seite auf wenige Elemente zu beschränken. Zwei Spalten, eine kleine Navigationsleiste und ein fließender, unterbrechungsfreier Text ohne Unterbrechung oder Ablenkung durch erzwungenen „Seitenwechsel“.
Die Seite wirkt sehr responsiv, enthält nur wenig cross-scripting, was auch direkt mit dem Verzicht auf Werbung zusammenhängt.

Einen Nachteil bringt diese Beschränkung gewiß mit sich: ich komme oft nur unregelmäßig dazu mir die Seite anzusehen. Um ältere Artikel zu entdecken müsste ich nun sehr weit nach unten fahren. Eine Übersichts- oder Archivseite wird bald notwendig sein, je mehr Artikel auf der Plattform erschienen sind.
Ein weiterer Malus betrifft sicherheitsbewusste Firefox-Benutzer wie mich. Mit Add-Ons wie NoScript und RequestPolicy gibt es Probleme die Seite korrekt anzuzeigen, selbst wenn alle Berechtigungen erteilt wurden, was eventuell auf einen unsauberen Code der Seite schließen lässt. Ein Blick auf den W3-Validator beendet dann auch jegliche Spekulation. Bereits die Startseite enthält 188 Fehler, welche genau zu solchen Anzeigeproblemen führen können.

Qualität der Artikel

Hier hege ich die größten Erwartungen und dort müssen nutzerfinanzierte Medien Punkte einheimsen. Die Krautreporter haben hier geliefert. Nicht immer was ich erwartete, doch in einer durchweg ehrlichen Art, die dem Anspruch des Unternehmens mehr als gerecht wird.

Alle Artikel die ich bisher gelesen habe (ein Bruchteil des immer größeren Angebots), sind eindeutig eigenhändig und sorgsam vor Ort recherchiert. Neben dem üblichen Einerlei abgeschriebener Tickermeldungen heben sich die Krautreporter hier wohltuend ab. In einigen Fällen gab es Quellenangaben zur weiteren Recherche und in einigen Artikeln, wo eine Befangenheit des Verfassers vermutet werden konnte, gibt es eine Stellungnahme dazu unter dem Artikel. Das setzt Maßstäbe in Sachen Transparenz die andere Nachrichtenseiten vermissen lassen.

Bei der Themenwahl würde ich mir mehr politische und wirtschaftliche Berichterstattung wünschen. Sicherlich sind dies aber Themenfelder, die ein kleines Unternehmen sehr schwer abdecken kann. Wäre schön wenn es zukünftig mehr davon gebe, doch selbst wenn nicht wäre es mir 5€ im Monat auf jeden Fall wert.

Bezahlte Zusatzfunktionen

Nachdem die Anschubfinanzierung geglückt ist steht der größte Teil der Inhalte allen interessierten Lesern im Internet offen. Eine richtige Entscheidung, zieht es doch eine Menge neuer Leser und Aufmerksamkeit auf die Seite. Was mich sehr stört ist die Entscheidung Nutzerkommentare nur hinter einer Paywall zuzulassen. Hier scheinen die Krautreporter einem aktuellen Trend zuvorgekommen zu sein, der viele Nachrichtenseiten dazu gebracht hat die Kommentarfunktion immer mehr einzuschränken und schließlich vollständig abzuschalten (siehe SZ, Spiegel). Da so ein Großteil der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Artikeln unterbunden wird gehört es meines Erachtens zur Transparenz eines Mediums dazu, allen Lesern dieses Recht auf Meinungsäußerung einzuräumen und es nicht von der Preisgabe von Daten abhängig zu machen. Dieses Recht dann als kostenpflichtigen Zusatz anzubieten finde ich schon beinahe unanständig.

Ein anderes Feature welches ich sehr gerne in Anspruch nehme ist die Möglichkeit alle Artikel einer Woche als E-book oder Audiodatei herunterzuladen. Da ich Nachrichten und Magazine oft nur unterwegs lese und es so oft wie möglich vermeide auf Seiten herum zu suchen und auch Aggregatoren nutze, ist dies für mich das schlagende Argument, welches den Griff zum Geldbeutel rechtfertigt. RSS-feeds sollen verfügbar und Inhalte auf allen Geräten in unterschiedlichen Formaten abrufbar sein. Unterwegs als epub oder sogar vorgelesen wenn man im Auto unterwegs ist, wunderbar! Daß Dateien teilweise bei Dropbox zum Download angeboten werden mutet wiederum sehr dilletantisch an. Bei wachsendem Speicherbedarf wird es den Krautreportern sicherlich noch dämmern, daß bald andere Mittel notwendig werden.

Fazit

Die fünf Euronen sind derzeit gut angelegt und gerechtfertigt. Im Gegenzug fühle ich mich, mit kleinen Abstrichen gut unterhalten und informiert. Ohne auf Artikel im einzelnen eingehen zu wollen, möchte ich dennoch ein audrückliches Lob an Tilo Jung loswerden. Die Israel-Palästina Interviews haben nicht sofort mein Interesse geweckt, aber nachdem ich die zurückhaltende Art des Interviewens gesehen habe war ich sehr angetan und habe mir die ganze Serie zur Gemüte geführt. Wieder eine wohltuende Abwechslung zu allen Interviews, wo vorgefasste Meinungen übergebraten werden sollen. Ich werde die nächste Zeit als zahlender Nutzer dabei bleiben!

Schreibe einen Kommentar