Gibt es wenigstens einen guten Browser?

Der Titel sagt es bereits, es gibt momentan keinen einzigen Browser den man bedenkenlos und vertrauensvoll einsetzen kann und auch nur einfachsten Ansprüchen genügen würde. Artikel, auch in diesem Blog, häufen sich wie man die lästigsten Features deaktiviert oder die Privatsphäre ein wenig besser schützt. Dabei wäre es vermutlich ein Leichtes, aus vorhandenen Versatzstücken einen passablen Browser zusammenzustellen, zumal es ohnehin nur noch zwei (bald vielleicht nur noch eine) Browser-Engine gibt – aber das ist ein Thema für sich.
Im Folgenden liste ich einige Kriterien auf, der ein Browser entsprechen muß.

Open Source

Bedarf keiner weiteren Diskussion. Absolut indiskutabel ein derart sicherheitskritisches Werkzeug einzusetzen, dessen Quellcode keinem öffentlichen Auditing unterliegt.

Microsoft Edge und Vivaldi sind an dieser Stelle schon draußen. Proprietäre Browser gibt es davon abgesehen nur noch als Nischenprodukte, wenn ein irgendein Anbieter auf bestehende Technologien ein anderes Etikett draufpappt. Zum Beispiel „GMX-Browser“ oder Yandex Browser und Konsorten.

Keine verdeckten Verbindungen

Dies wäre eigentlich am einfachsten Umzusetzen, indem unerwünschte und unnötige Verbindungen einfach unterlassen werden. Aber kaum jemand setzt es um, da es vermutlich das Monetarisierungsmodell der Hersteller untergräbt. Um es knapp zusammenzufassen: Geld macht man im Internet am besten mit Nutzerdaten und Browserhersteller sitzen hier so nah am Endverbraucher, daß die Gefahr für jederfraus Privatsphäre hier besonders gravierend ist. Also bitte kein „Nach-Hause-Telefonieren“, keine Nutzungsanalyse und keine automatischen Bugreports. Sollte es der Finanzierung des Produkts dienlich sein bestimmte Verbindungen zuzulassen, dann sollte es selbstverständlich ein Opt-In irgendwo in einem obskuren Einstellungsdialog geben. Eine solche Einwilligung würde ich freilich niemals geben, da es ein Unding ist als Benutzer von jedem Browser, jedem Dateimanager, Medienabspielgerät permanent im Verhalten überwacht zu werden.

Als schlimmster Vertreter ist hier Microsoft Edge wieder außen vor, dicht gefolgt von Google Chrome natürlich. Aber fast alle anderen Browser telefonieren in einer oder der anderen Art nach Hause. Firefox lässt sich nach zahlreichen Anpassungen immerhin dazu bringen etwas schweigsamer zu sein. Brave Browser hat in vielen Bereichen die vernünftigsten Standardeinstellungen, ist hier aber ebenfalls nicht völlig unverdächtig.

Werbeblocker inbegriffen

Niemand in der Menschheitsgeschichte hat jemals von unerwünschten Werbeeinblendungen profitiert. Etwas provokant, ich weiß, denn jetzt wird man schnell einwenden, daß auch Autoren und Anbieter von Informationen etwas zum Leben haben müssten. Das ist wohl wahr, dennoch sehe ich die meiste Werbung stets auf solchen Seiten, die den geringsten Mehrwert anbieten. Umgekehrt profitieren kleine Webseitenbetreiber oder Blogger kaum von Werbeeinblendungen auf ihrer Seite, sondern sind längst auf andere Einnahmequellen wie Sponsoring, Mitgliedsbeiträge, Patronisierung angewiesen. Als Finanzierungsmodell ist für einen Großteil der Anbieter Werbung bereits obsolet und völlig uneinbringlich.
Das Ausrichten von Informationen auf deren Verwertbarkeit zu Werbezwecken an sich ist schon ein Zustand, den man unbedingt beenden sollte. Als besonders abschreckendes Beispiel möge man sich nur unsere Nachrichtenmedien ansehen.

Werbeblocker sollten daher ubiquitär und voreingestellt sein. Hört sich an als sei dieser Absatz nur dazu gemacht den Brave Browser ins Spiel zu bringen. Richtig ist, es ist wahrscheinlich der einzige Browser der dies momentan ab Werk mitbringt. Nebenbei machen sich die Entwickler immerhin Gedanken dazu, wie Anbieter auf andere Art und Weise entlohnt werden könnten, wenn schon deren Werbung unterdrückt wird. Im Prinzip läuft es auf eine Art rekurrierendes Spendenmodell durch Einsatz einer Cryptowährung hinaus. Brave würde sich in einem solchen Ökosystem natürlich selbst sofort zur Speerspitze machen und als Plattformanbieter an allen Ecken und Enden Provisionen abgreifen. Immerhin taugt es als Fallbeispiel, daß der Status Quo gerade ins Wanken gerät.

Grundeinstellungen

Google Chrome gibt es – soweit ich dem Netz entnehmen konnte – seit dem Jahr 2008. Seitdem gibt es keine Möglichkeit dort das Anlegen einer Historie komplett zu unterbinden. Es ist umständlich Autovervollständigung beim Tippen zu umgehen, das ist das eine. Das andere ist: eine Historie besuchter Webseiten war früher tatsächlich recht nützlich, als man hunderte verschiedenster Webseiten ansteuerte und oft keinen Anhaltspunkt mehr hatte, wie man dorthin zurückkehren konnte. Heute ist es doch eher so, daß die meisten Nutzer:

  • Neben Facebook maximal noch 3-5 weitere Webseiten benutzen
  • es Lesezeichen schon immer gab und nach wie vor eingesetzt werden
  • ansonsten Suchmaschinen eingesetzt werden um eine Seite zu finden

Wann habt ihr sonst das letzte mal eine besuchte Seite in eurer Historie gesucht und auch wieder gefunden? Die Tatsache, daß es in Chrome immer noch keine Option gibt dies abzustellen ist schon als eine Art Nudging zu verstehen, daß es einfach hinzunehmen sei, daß ein Verzeichnis eurer vergangenen Tätigkeiten angelegt wird.

Kleiner Pluspunkt für Firefox an dieser Stelle. Hier gab es diese Einstellung bereits, als es noch Netscape hieß. Auch wenn umfangreiche Einstellungsdialoge auf manchen einschüchternd wirken mögen, so sind gewisse Anpassungsmöglichkeiten im Sinne des Benutzers einfach nur wert zu schätzen. Firefox unternahm überdies in neueren Versionen zunehmend mehr Anstrengungen den Einstellungsdialog knapp und übersichtlich und weniger benutzte Einstellungen dennoch verfügbar zu halten.

Gerümpel vermeiden

Auch wenn der Browser ein täglich und vielseitig genutztes Werkzeug ist bleibt es dennoch wünschenswert Gerümpel auf ein Minimum zu reduzieren und die Oberfläche wenigstens ansatzweise minimalistisch zu gestalten. Aber nicht nur Hinsichtlich der Aufmachung, auch unter der Oberfläche ließe sich eine Menge Overhead vermeiden.

Kamen Firefox und Brave Browser bisher gut weg, so ist dies ein Kriterium, welches mich besonders bei diesen beiden Produkten immer wieder gestört hat. Kaum hatte man sich an das Programm gewöhnt und die Umgebung nach eigenen Wünschen eingerichtet, so mußte man mit jedem Update befürchten es würde irgendein überflüssiges Feature ausgerollt und mit jedem Aspekt des Browsers verdrahtet. Bei Firefox sind dies beispielsweise Pocket, welches man erst durch sehr tiefe Eingriffe in eine „about:config“ Seite wieder loswurde, oder Brave mit irgendeinem neuen Cryptowallet. Anwender wollen das Internet browsen. Alles was nicht browst gehört nicht hinein.

Konfigurationsdatei

Auch wenn es 98% aller Anwender vermutlich nicht interessieren wird, Browser benötigen zwingend eine Konfigurationsdatei! Sicherlich können normale Anwender sich seitenweise durch Einstellungsdialoge quälen. Aber jene werden irgendwann an einen Punkt kommen, an dem das Profil auf ein neues Gerät migriert werden soll. Mit einer Konfigurationsdatei kopiert nur eine einzige Datei um all seine, über Jahre gewohnte und säuberlichst austarierten, Einstellungen auf alle Geräte mitzunehmen!

Noch wichtiger ist dieses Kriterium für einen Bereich, in welchem ich selbst lange tätig war – im Deployment für Organisationen mit massiv hohen IT-Anwenderzahlen. Der Aufwand der betrieben werden muß um Anwendern eine einheitliche Arbeitsumgebung zu ermöglichen mit standardisierten Browsereinstellungen und eine Fehlerbehandlung zu ermöglichen ist gigantisch! Die Lösungsansätze, die es gleichwohl natürlich gibt, sind grotesk überkompliziert um ein so scheinbar triviales Problem zu lösen. Dabei gibt es einen absolut sicheren Weg das Problem elegant zu lösen… die Bereitstellung einer textbasierten Einstellungsdatei, wie es Usus ist nach Unix-Standards und seit Jahrzehnten bewährt.

Welchen Browser verwenden Sie und warum?

Wieso benutzen Sie jenen Browser den Sie gerade offen haben und was sind die Gründe? Ihr Kommentar interessiert mich!

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