Die bedeutendsten Bücher zur neueren Geschichte des Jahres 2014

Michael Burleigh: Small Wars, far away places

 

Dieses Buch ist verblüffend und ich behaupte, es hätte noch vor wenigen Jahren nicht in dieser Form erscheinen können. Warum ist dies so?

Burleigh zeichnet ein Bild des kalten Krieges, der eigentlich nie richtig „kalt“ wurde. Feurige Konflikte und Kriege flammten unentwegt auf und Burleigh versteht es wie kein anderer, diese wie Episoden einer großen Rahmenhandlung zu erzählen. Diese Rahmenhandlung ist im wesentlichen die Hegemonie der USA nach dem zweiten Weltkrieg und der unaufhaltsame Zerfall westlicher Kolonialmächte. Die USA beschleunigen diesen Zerfall, wann immer es Ihren Interressen dient und bauen dabei die eigene Machtbasis auf. Burleigh ist Historiker mit einer langen akademischen Laufbahn und was nun für mich so überraschend war, ist wie er unglaubliche Dinge für vollständig evident hält, die uns heute noch in Schrecken versetzen müssen. Das wären zum Beispiel die Tatsachen daß die USA:

  • sich seit 1945 beinahe ununterbrochen im Krieg befinden
  • schon seit rund 60 Jahren den Ausgang demokratischer Wahlen im Ausland manipulieren
  • demokratisch gewählte Regierungen stürzen um sie durch willfährige Diktatoren zu ersetzen
  • unzählige Operationen unter falscher Flagge unternommen haben Konflikte zu eskalieren
  • besondere Beziehungen zu arabischen Potentaten unterhalten und den Islamismus unterstützen

und das ist nicht alles. Beinahe jedes Kapitel enthält mehrerer solcher Hämmer und Burleigh hält sich nicht mit Theorien auf, sein Quellenverzeichnis ist beachtlich. Es bedarf keiner großen Fantasie um Parallelen zur gegenwärtigen Situation wie dem arabischen Frühling oder der Nahostpolitik zu ziehen. Besonders scharf bringt es ein Zitat des amerikanischen General Smedley Butler, einer der höchstdekorierten Soldaten der USA, zum Ausdruck:

I spent 33 years and four months in active military service and during that period I spent most of my time as a high class muscle man for Big Business, for Wall Street and the bankers. In short, I was a racketeer, a gangster for capitalism. I helped make Mexico and especially Tampico safe for American oil interests in 1914. I helped make Haiti and Cuba a decent place for the National City Bank boys to collect revenues in. I helped in the raping of half a dozen Central American republics for the benefit of Wall Street. I helped purify Nicaragua for the International Banking House of Brown Brothers in 1902-1912. I brought light to the Dominican Republic for the American sugar interests in 1916. I helped make Honduras right for the American fruit companies in 1903. In China in 1927 I helped see to it that Standard Oil went on its way unmolested. Looking back on it, I might have given Al Capone a few hints. The best he could do was to operate his racket in three districts. I operated on three continents.

Quelle: Wikiquote.org

Das Fazit, daß der liberale Imperialismus der einzigen verbliebenen Großmacht mehr geschadet denn genutzt hat, passt ebenfalls gut in das Jahr 2014, wo die Auflösung der westlichen Hegemonie ebenso evident ist.

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Christopher Clark: The Sleepwalkers – How Europe Went to War in 1914

 

Dieses Buch ist ein sicherer Tipp, ist es doch mit Sicherheit das am meisten besprochene Buch des Jahres 2014 und wieder ist es ein englischer Historiker. Den Engländern scheint es im Blut zu liegen Geschichte stringent und packend zu erzählen. Wie der Titel bereits erahnen lässt behandelt Clark die Vorgeschichte bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs. Wie ihr sicher wisst jährte sich der Ausbruch des ersten Weltkriegs im Jahr 2014 zum 100. mal und so galt Clarks Buch als Referenz für zahlreiche Artikel die im Jubiläumsjahr erschienen sind. Was besonders die deutsche Presse bewog immer wieder auf dieses Buch zurück zu kommen ist insbesondere die Frage der Kriegsschuld, welche in diesem Buch einen deutlichen Dämpfer erfährt und Gegenstand einer sehr differenzierten Betrachtungsweise ist. So hatte ich persönlich beispielsweise von der Rolle Frankreichs zuvor wenig Ahnung, die offenbar aggressiv darauf hinarbeitete Russland zu einem gewagten und aggressiven Akt zu bewegen, der die Mobilmachung mehrerer Staaten und letztendlich den Krieg auslöste. Dagegen gab es insbesondere Seitens Kaiser Wilhelms bis zum letzten Tag vor Kriegsausbruch Versuche den Konflikt zu entschärfen und einen Krieg zu verhindern.
In besonderer Erinnerung ist mir auch geblieben, welch hektische Betriebsamkeit und Friedenswille auch das österreichische Ultimatum bei der serbischen Regierung ausgelöst hat, wobei Clark die Antwort auf das Ultimatum als ein „Meisterwerk der Diplomatie“ bezeichnet. Alleine die Tatsache, daß die Position der bedrängten Serben einmal so hohe Wertschätzung erfährt, hat meine Meinung von diesem Buch immens steigen lassen. Dennoch glaube ich, daß Clark sich in seiner umfassenden Erzählung bei einigen wenigen Aspekten bewusst vage gehalten hat. Etwa wenn es um die Verstrickungen von Franz Ferdinands Attentäter mit internationalen geheimen Bünden geht. Es wird immerhin angedeutet aber dies hätte die Erzählung wohl unweigerlich, wie bei einem Fall in den Kaninchenbau, abschweifen lassen.

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