Strava Gran Fondo 7/2014 – Radfahrt München – Konstanz

Eine kurze Schönwetterperiode ausnutzend habe ich am 03.07.2014 meine bisher längste Radfahrt an einem Stück in Angriff genommen und dabei schöne Landschaften entdeckt, eine für mich überraschende Einsamkeit erlebt und auch meine neuen Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit ausgelotet.

Die Motivation

Selbst noch ein relativer Neuling im Ausdauer betonenden Lauf- und Radsport habe ich noch vor nicht langer Zeit über den (preiswerten) Einstieg bei Strava geschrieben. Diese Social Community für Sportler hat einen ganz eigenen Reiz und ist meiner Meinung nach die erste Social Community überhaupt, wo man sich über substantielle, gar existentielle Dinge austauschen kann. Klar, das Angebot richtet sich ausschließlich an Ausdauersportler aber es ist die wohl erste Community von der ich bei jedem Besuch profitieren und eine Menge nützlicher Informationen mitnehmen kann – auf den Sport bezogen. Nicht nur der Vergleich der eigenen Leistungsdaten mit denen anderer Läufer und Radler, sondern auch das Entdecken neuer Routen, Rennsegmente macht einen ungeheuren Reiz aus. Wie unsichtbare Spuren die jemand schon in die Landschaft gelegt hat, denen mittels GPS zu folgen ist.

Bei Strava ist das Gran Fondo eine monatlich wiederkehrende Herausforderung, angelehnt an die italienischen Distanzradfahrten, die neben professionellen Radfahrteams auch Hobbysportlern als „Jedermannrennen“ offenstehen, mit Streckenlängen zwischen 130 und 230km.

Meine erste Distanzfahrt führt mich vom Wörthsee, im westlichen Umland Münchens, vorbei am Ammersee durch das Allgäu an den Bodensee nach Konstanz. Etwa 200km.

Die Aufstellung

Das Fahrrad

Bei dem von mir verwendeten „Winora Samoa“ handelt es sich um ein, erst vor wenigen Monaten erstandenes, Crossrad für Einsteiger in das sportliche Radfahren. Es bleibt abzuwarten wieviele Teilnehmer des Gran Fondo die Strecke ebenfalls mit einem Crossrad bewältigen werden. Ich rechne mit einer nicht mehr als zweistelligen Zahl unter mehr als 52000 Teilnehmern. Zu den Gründen werden wir noch kommen. 🙂

Winora Samoa Crossrad
Winora Samoa Crossrad

Aber die Vorteile eines Crossrads für Einsteiger liegen für mich auf der Hand. Bei der Anschaffung gedachte ich eine größtmögliche Bandbreite an Geländetypen abzudecken. Das Crossrad macht in leichtem Gelände eine gute Figur, ist sehr gut zu fahren auf Waldwegen, Schotterpisten, Trampelpfaden und steht auf der Straße nur hinter dem Rennrad zurück. Bis heute habe ich es noch nie erlebt, daß ich von einem Mountainbike oder Trekkingrad auf der Straße überholt worden wäre, von einem Rennrad hingegen schon. Und Hand aufs Herz, Mountainbikes sind wahrscheinlich noch immer die beliebtesten Räder, werden aber nur selten für das eingesetzt wofür sie eigentlich gedacht sind: wirklich schweres Gelände und Gebirge wo selbst mit dem Crossrad Schluß ist.
Die Scheibenbremsen geben ein Gefühl von Sicherheit, die Federgabeln bringen Komfort durch das Dämpfen der Unebenheiten, dies alles bringt jedoch zusätzliches Gewicht mit sich das bewegt werden will.

Ein Rennrad wollte ich mir als Erstrad nicht zulegen, aus dem Grund weil Straßenfahrer immer im selben Verkehrsraum unterwegs sind wie Autofahrer. Dies ist mir nach wie vor unangenehm aber mittlerweile ist mir klar geworden, daß Distanzfahrten zu 95% Straßenfahrten sind. Alleine die Planung einer langen Route unter Vermeidung aller viel befahrenen Land- und Bundesstraßen wäre schlicht ein Ding der Unmöglichkeit.

Proviant

Das Mitführen der Verpflegung finde ich eine echte logistische Herausforderung wenn man alleine fährt. Auf organisierten Touren gibt es natürlich vorbereitete Verpflegungsstationen und selbst Hobbysportler lassen sich gerne von Fahrzeugen begleiten, die neben gekühlten Getränken und Klamotten zum Wechseln sogar weitere Räder mitführen.
Ich habe bewusst darauf verzichtet aufputschende Mittel, Sportgetränke, Kraftriegel oder Nahrungsgels mitzunehmen. Stattdessen starte ich mit 1kg Bananen, 650g Datteln, je 750ml Gemüse- und Melonensaft für die schnelle Kohlenhydratzufuhr und 2l Wasser, die ich bereits binnen der ersten 3 Stunden leeren möchte. Zusätzlich natürlich noch einige Klamotten zum wechseln, die ich erst nach der Ankunft benötigte. Das Gepäck sollte bis zum Allgäu so leicht wie möglich sein, denn jedes Gramm wiegt bei den Aufstiegen wie Blei auf den Rädern. Nicht zu vergessen: die obligatorische Packung Flickzeugs.

Streckenwahl

Empfehlen kann ich die Routenplanung für Räder Naviki. Es erlaubt die Route für Mountainbike oder Rennrad zu optimieren, die kürzeste oder attraktivste Route mit bestem Freizeitwert zu wählen. In Verbindung mit dem Kartenoverlay von Opencyclemap kann man die vorgeschlagene Route gut nachverfolgen und noch Anpassungen vornehmen um beispielsweise viel befahrene Verkehrsknotenpunkte zu umfahren und ausgewiesene Radwanderrouten zu benutzen, wie ich es getan habe. Erst durch die eigenhändigen Optimierungen ist die Streckenlänge schließlich auf über 200km angewachsen.

Wörthsee bis Allgäu

Morgens durchquere ich München mit der S-Bahn zu meinem Startpunkt. Den Berufsverkehr möchte man sich gerne sparen, denn Radfahren in München ist lebensgefährlich (2014 im Schnitt ein getöteter Radfahrer pro Monat). Schon beim Ausstieg das erste kleine Ärgernis: mein Fahrrad-GPS zeigt 8km Entfernung zum geplanten Startpunkt an. Das obwohl ich die Tour von der S-Bahnstation hinweg geplant hatte. Aber den kleinen Umweg nehme ich einfach in Kauf. Die kleinen Orte zwischen Wörthsee und Ammersee erwachen allmählich. Die Schulbusse sind kleine Mercedes Sprinter, beim Entgegenkommen grinst der Fahrer, die schulpflichtigen Passagiere ziehen müde einen Lätsch, welch idyll! Ich bin noch frisch auf dem Rad wie das Spiegeln der ersten Sonnenstrahlen auf dem leicht bewegten Wasser des Ammersees. Die Uferpromenade lasse ich jedoch sehr schnell hinter mir. Ein guter Teil der Radstrecke verläuft nahe München parallel zur Autobahn München-Lindau. An manchen Stellen sehr schmal aber ausreichend ausgebaut und erfreulicherweise recht schattig. Nur ein einziges Mal passiert es, daß die Strecke direkt mehrere Kilometer über einen Autobahnzubringer führt. Mit der Leitplanke auf der einen und eiligen Berufspendelfahrzeugen mit überhöhter Geschwindigkeit auf der anderen Seite. Dazu eine langgezogene und schlecht einsehbare Rechtskurve, durch die Radfahrer erst spät zu erkennen sind. Es sind genau solche Momente, die einem das Radfahren verleiden. Irgendein Oldtimerclub scheint bereits jetzt ein Rennen zu veranstalten und schleudert mir ungefilterte Abgase entgegen. Schön anzusehen sind diese Boliden ja, aber meine Freude hält sich trotzdem sehr in Grenzen. Glücklicherweise führt mich das GPS nach nur einer Viertelstunde auf ruhigere Nebenstraßen wo das Fahren dagegen, bei aller körperlichen Frische, allmählich Freude bereitet.

Landstraße zwischen München und Landsberg am Lech
Landstraße zwischen München und Landsberg am Lech

Aus der Umgebung der viel befahrenen Zubringer der Bundesstraßen geht es nun raus ins Ländliche. Auf diesen Straßen geht es rasant voran, noch gibt es vergleichsweise wenige Steigungen und das Garmin spielt seine Stärken aus und weist den Weg zuverlässig durch kleine Orte und kaum beschilderte Landstraßen. Bei nächster Gelegenheit führt die Route auf einen der bekannten Fernradwege und folgt dieser Vorgabe ziemlich zuverlässig. In der Ebene lässt sich mein früh gefasster Plan gut umsetzen. Dieser sieht vor mit konstant hoher Trittfrequenz zu fahren (ca. 90 Umdrehungen/Minute), durch gemässigten Antritt Energie zu sparen und die eingepackten Vorräte früh aufzuzehren um schon früh für einen konstante Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zu sorgen und Gepäck zu reduzieren.

Ortskern, Landsberg am Lech
Ortskern, Landsberg am Lech

Als kleiner Höhepunkt des ersten Routenabschnitts habe ich die Fahrt durch Landsberg am Lech empfunden. Eine sehenswerte Stadt, die Sonne lacht und nahezu durchgehende Radfahrerstreifen auf der Fahrbahn – beste Voraussetzungen für den eiligen Radler. Ein langgezogenes Gefälle hinab in die Altstadt läd zum Rasen ein. Wer bis hierher seinen Beinen schon einige Kilometer abgerungen hat, der lässt diese Chance zum rasanten aber lässigen Dahingleiten nicht vorübergehen. Die vorgeschriebene Höchstgeschwin-digkeit von 50km/h ist nur schwer einzuhalten. Abschnitte mit Kopfsteinpflaster bremsen dann jedoch die Fahrt, Rennradfahrer vor und hinter mir reduzieren Ihre Geschwindigkeit um ihre empfindlichen Rennhobel nicht auf der holprigen Piste durchrütteln zu müssen. Dazu läd die schöne Innenstadt einfach zum Verweilen ein. Ich halte kurz an einem Brunnen um mich zu erfrischen und die Hände zu waschen und schon geht es weiter.
Rennfahrer und Radtouristen sind dem Stadtbild wohl vertraut.

Brücke in Landsberg am Lech
Brücke in Landsberg am Lech

Bei der Ausfahrt aus Landsberg am Lech fahre ich an einem haltenden Auto einer Seitenstraße vorüber und erhalte von dort anfeuernde Zurufe. Ob spöttisch oder ernst gemeint konnte ich leider nicht ausmachen. Jedenfalls nehme ich es positiv und treibe das Gefährt bei der Auffahrt auf die Landstraße wieder auf Geschwindigkeit.

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Erst der Anfang einer langen hügeligen Serie
Erst der Anfang einer langen hügeligen Serie

Das Niederallgäu macht den ausgedehnten Mittelteil der Route aus. Nicht zu unrecht läd diese Gegend viele Erholungssuchende zum Wandern und Radeln ein. Verschnörkelte Wege, sporadischer Verkehr, teils bewaldete und Schatten spendende Abschnitte, grasendes Rind und immer wieder kleine Anhöhen die zum Innehalten und Genuss der ländlichen Idylle einladen. Erholung suche ich zu dieser Zeit jedoch nicht und die Strapazen der langen Fahrt fangen hier erst richtig an.
Womit ich nicht gerechnet hatte, die Versorgung auf der Strecke sollte ein echtes Problem darstellen. Zur Mittagszeit herum mache ich eine kurze Rast und verzehre den Großteil meiner mitgenommenen Datteln und Bananen. Verfehlten sie Ihre Wirkung auch nicht mir einen ordentlichen Energieschub zu verleihen, halte ich dennoch immerzu Ausschau nach Möglichkeiten zum Einkauf oder Einkehren. Zu meiner Überraschung hatten zur Mittagszeit bis spät am Nachmittag sämtliche Gastwirtschaften geschlossen. Selbst Einkaufsketten fand ich verschlossen vor. Passanten waren auf der Strecke nur äußerst selten anzutreffen. Die meisten befinden sich zu dieser Tageszeit bei der Arbeit auf dem Feld, denn in der Ferne sah man die Traktoren zuhauf über die Äcker pflügen. So schwinden meine Kräfte und jede weitere Steigung fällt mir zunehmend schwerer, gleich wie wenn ich selbst einen Pflug hinter mir her ziehe.

Sichtliche Erschöpfung
Sichtliche Erschöpfung

Zwar teile ich mir mein Getränk gut ein, sodass ich bis zuletzt einige Schluck in der Flasche haben sollte um die dringendsten Notfälle zu überbrücken, Durst und Erschöpfung machen mir aber zusehends zu schaffen. Längst ist mir die Lust vergangen Fotos von den schönsten Streckenabschnitten zu machen (unter anderem wegen diesem Blogbeitrag) und Wegweiser zu der einen oder anderen „Schloßgaststätte“ lasse ich links liegen. Zu groß ist mir jetzt schon die Mühe irgendein Schloß auf einer Anhöhe anzusteuern um anschließend festzustellen, daß die Gastwirtschaft ohnehin nicht geöffnet ist. Erst in der Umgebung von Memmingen, einem größeren Ort, gelingt es mir einen Anwohner in seinem Garten anzusprechen, der mir die Flaschen mit frischem und kühlen Leitungswasser füllt.
Sicherlich stellt jede Steigung im Niederallgäu für sich genommen keine große sportliche Herausforderung dar. Nach etwa 130-150 Kilometern in den Beinen und der allgemeinen Auszehrung und Nahrungsmangel kann ich jedoch kaum mehr die Kraft aufbringen kräftig anzutreten um mit Schwung über die Höhen zu kommen.

Vorbei an Kißlegg hinab nach Ravensburg beginnt die Strecke deutlich abzufallen. Die erste Stadt im nordöstlichen Bodenseekreis wartet auf mich. Ich meine eine leichte Brise und Seeluft zu wittern. Ein Katzensprung von hier an den See zu kommen – denke ich mir. Nun ist aber das Bodenseeland auch nicht gerade als Flachland bekannt. Das erste mal kämpfe ich kurz mit dem Gedanken den nahen Bahnhof anzusteuern und hier abzubrechen, sind die Mindestvoraussetzung für den Gran Fondo auf Strava (130km) schon längst erfüllt. Eine Zugfahrt um den See herum mit mehrmaligen Umsteigen? Eine entsetzliche Vorstellung und Zumutung für jeden Anrainer des Bodensees, meiner Heimat. Ich trete lieber in die Pedale.

Die letzte Etappe und letzten 30 Kilometer haben sich mir allerdings als besonders schwierig eingebrannt. Zu keiner Zeit musste ich dort mit hohem Puls um Luft ringen, eher war es, so ausgezehrt wie ich war, schwierig noch irgendeine Kraft auf die Pedale zu übertragen. Ist die Strecke auch angenehm zu fahren, gegen Ende musste ich auch vor den kleinsten Steigungen kapitulieren und absteigen, das Fahrrad nach oben schieben. Immer öfter begegne ich im Umkreis der Bodenseeorte auch wieder Rennradfahrern. Die waren zu beneiden, ausgeruht und frisch, wahrscheinlich keine 20km in Beinen, sausten sie an mir vorbei. Staubig und salzverkrustet wie ich war hoffte ich auf Verständnis der entgegenkommenden Fahrer. Das Bild wäre auch zu komisch gewesen, da ich mich mit geringer Geschwindigkeit, mittlerweile auch auf der Ebene, ungeduldig dem See entgegen plagte und trotzdem gelegentlich von Wadenkrämpfen heimgesucht wurde.

Angekommen in Meersburg steige ich in einer Fußgängerzone ab, schiebe die letzten Meter vorbei an Touristengruppen und steige auf die Fähre um nach Konstanz überzusetzen. Meine Route ist dort nach 205 Kilometern beendet. Gerade durch das mehrfache Absteigen zuletzt habe ich wohl mein Ziel, durchschnittlich 20km/h Minimum zu fahren, knapp verpasst. Die Angaben meines GPS unterscheiden sich da ein wenig von denen bei Strava mit 19,6km/h. Die Distanz von 205km scheint dagegen auf beiden ziemlich genau wiedergegeben zu sein.

Fazit: Der Gran Fondo ist geschafft und sogar deutlich übertroffen. Mittlerweile würde ich sogar noch dieses Jahr einen weiteren fahren, dann allerdings nur noch die vorgeschriebenen 130km. Dafür würde ich versuchen meine Zeiten erheblich zu verbessern und mir die größten Qualen gegen Schluß zu ersparen. Überhaupt nehme ich mir vor Sternfahrten von 70-100km zur Gewohnheit zu machen.
Außerdem spiele ich mit dem Gedanken am Ende dieser Saison ein weiteres Rad zuzulegen. Das sportlichste Rad auf der Straße, das Rennrad, ist nun mal einfach das komfortabelste da Kraft sparend.

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